iv
DENKEN
UND
WIRKLICHKEIT.
VERSUCH EINER ERNEUERUNG DER KRITISCHEN PHILOSOPHIE,
A. SPI R.
ERSTER BAND.
DAS UNBEDINGTE.
ZWEITE, UMGEARBEITETE AUFLAGE .
LEIPZIG.
J.G.FINDEL
1877.
v
VORWORT
ZUR.
ZWEITEN AUFLAGE.
Die Exposition in dem vorliegenden Werke war so
mangelhaft und unzweckmässig, dass ich es für Gewissenspflicht
hielt, dasselbe gründlich umzuarbeiten und so um
gearbeitet in einer zweiten Auflage herauszugeben, ohne den
völligen Absatz der ersten abzuwarten. Ich glaubte es sowohl
dem Publicum als auch den in dem Werke niedergelegten
Gedanken schuldig zu sein, dieselben in einer ihrer mehr
würdigen und angemessenen Einkleidung erscheinen zu lassen.
Denn an der Richtigkeit dieser Gedanken zu zweifeln ist
mir nicht erlaubt, da dieselben nicht allein für mich selbst
vollkommen evident sind, sondern auch von mir in einer
kurzen Form zur öffentlichen Prüfung vorgelegt worden sind,
ohne dass eine nennenswerthe Einwendung dagegen erhoben
worden wäre.*)
_______
*) Zu wiederholten malen habe ich in der Zeitschrift Philosophische
Zuerst Monatshefte" zur Prüfung meiner Grundgedanken aufgefordert.
in einem Aufsatz , betitelt zum ewigen Frieden in der Philosophie"
VI
Vorwort.
Bis jetzt ist dieses Werk ziemlich unbeachtet geblieben.
Zum Theil war gewiss die unzureichende Darstellung daran
schuld, zum Theil lag aber die Schuld, wie ich fürchte, auch
an den Lesern selbst, an der bedauerlichen Unempfänglichkeit
der meisten Menschen für Vernunft und Einsicht, welche
leider schon zu allen Zeiten constatirt worden ist. Nichtsdestoweniger
gebe ich diese neue Bearbeitung in der ruhigen
Zuversicht heraus, dass die Evidenz der darin vorgetragenen
Lehren , nicht mehr, wie früher, verdeckt durch eine zu
mangelhafte Darstellung, jeden Widerstand besiegen und den
festen Grund zu einer wahrhaft wissenschaftlichen Philosophie
legen wird.
Was die vorgenommenen Aenderungen des Werkes betrifft,
so sind dieselben gross genug, um es in vielen wesentlichen
Punkten zu einem neuen Werk zu machen. So wird
man gleich im ersten Buche finden, dass die drei Kapitel,
welche früher über die Erkenntniss der Körperwelt weitschweifige,
aber der nöthigen Prägnanz ermangelnde Erörterungen
enthielten, durch zwei neue ersetzt sind, welche die Sache
_______
(1875, 6 . Heft) und als dieser kein Verständniss gefunden, wie
ich
es aus den von Herrn Pfarrer Knauer vorgebrachten Einwendungen ersehen
musste, in einem weiteren erläuternden Aufsatz, betitelt zu der
Frage nach den ersten Principen" (1876, 2. Heft), welchem ein dritter
folgte aus Anlass der nochmaligen Entgegnung des Herrn Knauer"
(1876, 5. Heft) . Dem letzteren war eine tabellarische Darstellung
der
aus meinen Grundpositionen sich ergebenden Folgerungen beigelegt -
welche auch am Ende dieses Werkes steht und zum leichteren Verständhiss
desselben behülflich sein kann -und derselbe schloss mit der dringenden
Aufforderung an den Leser, entweder die Unrichtigkeit meiner Grundpositionen
nachzuweisen oder die Richtigkeit derselben anzuerkennen.
Aber keine Stimme weder in dem einen noch in dem anderen Sinne hat
sich bis jetzt vernehmen lassen.
VII
Vorwort
kürzer und wirksamer beleuchten. Das ganze zweite Buch
des ersten Bandes, welches gerade den Schwerpunkt des
Werkes enthält, war früher am schwächsten ausgeführt
und
musste daher am gründlichsten umgearbeitet, ja fast ganz
neu geschrieben werden . Nunmehr sind dem Beweise des
obersten Denkgesetzes drei Kapitel gewidmet und ich darf
sagen , dass der darin festgestellten Einsicht an Gewissheit
sowie an Wichtigkeit keine andere gleichkommt. Auch in
den übrigen Theilen ist alles Unklare und Unnöthige beseitigt
und überall die möglichste Klarheit und Prägnanz angestrebt
worden. Namentlich habe ich einen guten Theil der Polemik
weggelassen, da die durch Widerlegung irrthümlicher Ansichten
zu erzielende Klarstellung der Sache jetzt viel weniger
nöthig war, als früher. Durch alles dieses ist der Vortheil
erreicht
worden, dass das Werk zugleich an Umfang ab- und
au innerem Gehalt zugenommen hat.
Im November 1876.
A.S.
ix
Inhalt
Seite
EINLEITUNG
1
ERSTES BUCH.
VORBEREITUNG.
ERSTES KAPITEL. Das unmittelbar Gewisse
25
ZWEITES KAPITEL. Von der Natur der Vorstellung und des erkennenden
Subjects
1. Was ist die Vorstellung?
35
2. Unterschied der Vorstellung von dem Bilde. Das Wesen
der Vorstellung charakterisirt durch den Glauben
43
3 . Unterschied der Vorstellung von der Empfindung
48
4. Von der Erkenntniss innerer Zustände
55
5. Resumirung der vorhergehenden Betrachtungen
59
6. Prüfung der Lehre, welche die Empfindung in der Vor-
stellung aufgehen lässt
65
7 . Von dem erkennenden Subjecte
72
DRITTES KAPITEL. Von dem Kriterium der Wahrheit oder
dem Principe der mittelbaren Gewissheit .
1 . Wie ist Unwahrheit möglich?
81
2. Wie ist das Bewusstsein der Unwahrheit möglich?
86
3 . Vorläufige Betrachtungen über das Schliessen im Allgemeinen
und insbesondere über den Syllogismus
89
4. Vorläufige Betrachtungen über die Induction
94
5 . Allgemeine Bemerkungen über ein Kriterium der Wahrheit
103
X
Inhalt.
Seite
VIERTES KAPITEL. Von der Erkenntniss einer äusseren
Welt.
1 . Kurze Uebersicht der Theorien
110
2. Dasjenige, was wir als Körper erkennen, ist nichts Anderes,
als unsere eigenen Sinnesempfindungen
113
3 . Die Körper sind ihrem Begriffe nach unbedingt
120
4 . Ein Nicht-Ich ist nicht gleichbedeutend mit einer äusseren
Welt
125
FÜNFTES KAPITEL. Prüfung verschiedener Theorien .
1 . Die Theorien, nach welchen eine wahre Erkenntniss der
Körper aus blossen Daten der Erfahrung möglich ist
129
2 . Die An-,ficht, nach welcher die Erkenntniss der Körper
mittels eines apriorischen Causalitätsbegriffs gewonnen
wird
132
3 . Die psychologische" Theorie von St. Mill
135
4. Schlussbemerkungen
147
ZWEITES BUCH.
GRUNDLEGUNG.
ERSTES KAPITEL. Der Begriff des Unbedingten
153
ZWEITES KAPITEL. Die logischen Gesetze.
1. Der Satz der Identität
163
2 . Der Satz des Widerspruchs
167
3. Uebergang von der Logik zur Ontologie
178
DRITTES KAPITEL. Beweis des obersten Denkgesetzes:
I) Aus der Relativität der empirischen Objecte.
1 . Sinn und Gehalt des obersten Denkgesetzes
185
2. Beweis für die objective Gültigkeit desselben
193
VIERTES KAPITEL. Beweis des obersten Denkgesetzes
II) Aus der Natur der Veränderung.
1 . Ueber das Wesen der Veränderung
206
z. Beweis, dass die Veränderung nicht zu dem eignen Wesen
der Dinge gehören kann
212
FÜNFTES KAPITEL. Beweis des obersten Denkgesetzes
III) Aus der Natur der Schmerz- und Unlustgefühle
221
xi
Inhalt
Seite
SECHSTES KAPITEL. Der Organismus des Denkens.
1 . Von Begriffen a priori
227
2. Es kann nur einen ursprünglichen Begriff a priori
geben
233
3. Der den ursprünglichen Begriff a priori ausdrückende Satz
muss zugleich ein identischer und ein synthetischer sein
237
4. Von einigen abgeleiteten Begriffen
239
DRITTES BUCH.
HAUPTFOLGERUNGEN.
ERSTES KAPITEL. Ableitung des Begriffs der Causatität.
1 . Prüfung verschiedener Ansichten über die Causalität
245
2 . Ableitung des Causalitätsbegriffs
254
3 . Von dem Unterschiede der gewöhnlichen und der wissenschaft-
lichen Fassung des Causalitätsbegriffs
261
4. Fortsetzung des Vorhergehenden
267
5 . Verification der oben gegebenen Ableitung des Causalitätsbegriffs
270
ZWEITES KAPITEL. Sein und Geschehen
273
DRITTES KAPITEL. Das Verhältniss der Welt zu dem Unbedingten.
1 . Dieses Verhältniss ist keinem uns bekannten gleich
279
2 . Nähere Präcisirung desselben
286
VIERTES KAPITEL. Das Reale ist an sich eins
295
FÜNFTES KAPITEL. Die Erscheinung und der Schein
305
SECHSTES KAPITEL. Der wahre Sinn der Relativität alles
Wissens
314
VIERTES BUCH.
VON DER ERKLÄRUNG.
ERSTES KAPITEL. Von der Erklärung überhaupt
321
ZWEITES KAPITEL. Von dem Satze des zureichenden Grundes
334
xii
Inhalt.
Seite
DRITTES KAPITEL. Was ist die Negation in der Wirklichkeit?
343
VIERTES KAPITEL. Der Pantheismus oder die Verwechselung
des Unbedingten mit dem Allgemeinen
353
FÜNFTES KAPITEL. Der Theismus
367
SECHSTES KAPITEL. Die fundamentale Antinomie
377