FÜNFTES KAPITEL.

DER THEISMUS.

 

Viel verbreiteter als der Pantheismus und von weniger offener Unhaltbarkeit ist die theistische Ansicht, nach welcher die Welt oder wenigstens das Geschehen und die gesetzmässige Ordnung derselben eine unbedingte ausserweltliche Ursache hat. Gewöhnlich wird diese ausserweltliche Ursache als ein menschenähnliches Wesen mit Intelligenz und Willen gedacht, welches man dann Gott nennt. Doch kommt es vor allen Dingen darauf an, die Probleme und Fragen nicht en bloc zu nehmen, sondern sie genau zu sondern und jedes einzeln zu untersuchen, weil sonst natürlich keine Klarheit des Denkens in Betreff der untersuchten Gegenstände erreicht werden kann. Es werden daher zuerst zwei Hauptfragen zu beantworten sein: 1) Ob der Schluss auf eine ausserweltliche Ursache überhaupt gültig ist und 2) ob, wenn derselbe gültig wäre, das dadurch Erschlossene als das Unbedingte gedacht werden könne? Erst im 2. Bande werde ich untersuchen, in wie weit dem wirkenden Princip in der Natur Menschenähnlichkeit beigelegt werden darf.

 

In dem Kapitel über das Verhältniss der gegebenen Wirklichkeit zum Unbedingten habe ich schon gezeigt, dass das Unbedingte nicht als Ursache gedacht werden kann, und, da die Ursache der Welt selbst nothwendig unbedingt sein müsste, eine Verursachung der Welt überhaupt undenkbar ist; aber es wird nicht überflüssig sein, diesen Gegenstand

 

 


 

368 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.

 

auch für sich, abgesondert von allem Anderen zu erörtern. Wir werden uns also an die Beantwortung der obigen Fragen machen.

 

Die erste Frage implicirt nun drei verschiedene Probleme: 1) Ob der Stoff der Welt selbst geschaffen sein, mit anderen Worten, eine Ursache haben könne oder nur das Geschehen in derselben? Und da bei der Erklärung dessen, was geschieht, zweierlei in Betracht gezogen werden muss, die Beschaffenheit desselben und das Factum seines Entstehens, so haben wir also noch die folgenden zwei Fragen zu beantworten: 2) Ob eine erste Ursache des Entstehens, des Geschehens überhaupt angenommen und gedacht werden könne? Und 3) ob die Beschaffenheit des Geschehens, d. h. die gegebene Gesetzmässigkeit desselben auf eine ausserweltliche Ursache zurückgeführt werden dürfe?

 

Unter dem Stoff der Welt kann wiederum zweierlei verstanden werden, entweder die sog. Materie oder die gegebenen empirischen Gegenstände, d. h. die erkennenden Subjecte und deren Empfindungen.

 

Wenn die Materie selbst etwas Wirkliches ist, so kann von einer Schöpfung oder Erschaffung derselben natürlich nicht die Rede sein. Denn unter der Materie wird das Unbedingte im Raume gedacht, dessen Wesen und Dasein gar nicht in die Zeit fällt und also auch in keinem Sinne als verursacht und entstanden angesehen werden kann. Ist aber die Materie in Wahrheit nicht das, als was sie gedacht wird, so ist sie, wie schon früher gezeigt, überhaupt gar nichts in der Wirklichkeit, sondern nur eine Vorstellungsart im Subjecte. Den Ursprung dieser Vorstellungsart zu untersuchen ist dann lediglich Sache der Psychologie und Erkenntnisslehre, nicht die der Metaphysik.

 

Spricht man aber von einer Schöpfung des gegebenen Stoffes der Erfahrung, so kann darunter ebenfalls nur eine Schöpfung aus Nichts gemeint sein. Allein die Behauptung einer solchen enthält einen zweifachen Widerspruch. Der Ge-

 

 


 

Der Theismus.

369

 

danke eines Entstehens aus Nichts ist, wie gezeigt worden, überhaupt unmöglich und leer. Jedenfalls bedeutet aber dasselbe ein Entstehen ohne Ursache. Eine Schöpfung aus Nichts ist also eine offenbare contradictio in adjecto. Was aus dem Nichts entsteht, kann unmöglich eine Ursache haben; denn dann müsste diese Ursache in einem Verhältniss zum Nichts gedacht werden, welches das Nichts zu einem Etwas machen würde. Das wäre ein unbedingtes bedingtes Entstehen, welches keinen Sinn hat. Weiter über diese Annahme zu sprechen, ist überflüssig. Es kann höchstens von einer unbedingten Verursachung der Veränderungen, nicht aber der Stoffe, die Rede sein und diese bildet gerade den Gegenstand unserer zweiten Frage.

 

Es fragt sich also, ob eine erste, unbedingte Ursache von Veränderungen gedacht werden kann? Es versteht sich von selbst, dass man unter dieser unbedingten Ursache nicht selbst eine Veränderung, sondern einen seienden, realen Gegenstand denken will und muss. Denn dass die Veränderungen selbst nicht unbedingt sind, wird ja schon dadurch eingeräumt, dass man nach einer Ursache derselben sucht. Unter der unbedingten Causalität eines Gegenstandes kann nun zweierlei verstanden werden: Entweder 1) dass er Veränderungen in sich selbst, oder 2) in anderen Gegenständen unbedingt verursacht, wie Kant sich ausdrückte, »eine Reihe des Geschehens schlechthin anfängt

 

Sagt man nun, dass ein Gegenstand in sich selber Veränderungen ohne jede weitere Ursache bewirken kann, so bedeutet dies einfach, dass in dem betreffenden Gegenstande Veränderungen ohne Ursache, d. h. unbedingt erfolgen können. Denn es ist schlechterdings nicht möglich, in das Verhältniss eines Gegenstandes zu sich selber die Unterscheidung von Bedingung und Bedingtem und mithin überhaupt ein Bedingtsein hineinzubringen. Könnten aber irgendwo Veränderungen ohne Ursache geschehen, dann brauchte man natürlich nicht nach einer ersten Ursache der Veränderungen zufragen.

 

 


 

370 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.

 

Sagt man dagegen, dass ein Gegenstand Veränderungen in anderen Gegenständen unbedingt verursachen könne, so kann mit dieser Behauptung kein verständlicher Sinn weder in Hinsicht des bewirkenden Gegenstandes noch in Hinsicht seiner Wirkungen verbunden werden. Denn es gibt schlechterdings kein anderes Merkmal der Abhängigkeit einer Wirkung von ihrer Ursache, als dass sie dieser in der Succession unveränderlich nachfolgt. Denkt man sich nun unter der Ursache einen Gegenstand, in welchem selbst sich keine Veränderungen ereignen, so kann der Wechsel der Wirkungen durchaus in keinem Verhältnisse zu dem Wesen dieser Ursache gedacht werden. Ein unwandelbares Antecedens würde offenbar nur ein unwandelbares Consequens haben können; das bringt ja nothwendig die Abhängigkeit des letzteren von dem ersteren mit sich. Schreibt man einer unveränderlichen Ursache veränderliche, wechselnde Wirkungen zu, so widerspricht man sich selber. Denn man leugnet dann gerade denjenigen Zustand der Wirkung, in welchem allein ihre Abhängigkeit von der Ursache sich documentiren würde.

 

Jede Annahme einer unbedingten Causalität ist gleichbedeutend mit der Annahme eines unbedingten Entstehens, eines ersten Anfangs, was eben die Negation der Causalität ist. Denn wenn in einem ruhenden Zustande eine Veränderung schlechthin, urplötzlich sich ereignete, so würde sie eben ohne Antecedentien, also unbedingt sich ereignen. Könnten aber Veränderungen unbedingt, ohne Ursachen oder Antecedentien sich ereignen, dann brauchte man ja nicht nach Ursachen oder gar nach einer ersten Ursache von Veränderungen zu fragen. Solche Veränderungen wären eben selbst erste Ursachen und könnten zu jeder Zeit vorkommen. Man sieht also, dass alle Annahme einer ersten Ursache, einer unbedingten Causalität dem Gesetze der Causalität selbst widerspricht, welches doch der einzige Grund ist, nach Ursachen überhaupt zu fragen.

 

Wenn nun das Factum des Entstehens oder der Ver-

 

 


 

Der Theismus.

371

 

änderung selbst keine unbedingte, ausserweltliche Ursache haben kann, so kann es ebensowenig auch die Beschaffenheit der Welt, in welcher Veränderungen vorkommen, d. h. die Gesetzmässigkeit derselben haben. Wenn die Reihen der Veränderungen kein ausserweltliches Antecedens haben können, so können es auch die Gesetze derselben nicht haben. Die Gesetze sind die Arten und Weisen, wie sich der Zusammenhang der Erscheinungen in ihrem wahrnehmbaren Dasein und ihren Verhältnissen manifestirt. Mit welchem Grund und Recht dürfte man nun voraussetzen, dass dieser Zusammenhang der Erscheinungen selbst eine ausserweltliche Ursache habe? Derselbe bildet eben die beständige, in dem Wesen der Dinge liegende Bedingung, unter welcher ein gesetzmässiges Verhältniss von Antecedens und Consequens von Ursache und Wirkung in der Wirklichkeit überhaupt stattfindet. Behaupten dass diese beständige Bedingung selbst verursacht sei, ein unveränderliches Antecedens habe, hat also offenbar keinen Sinn. Denn das hiesse ja, voraussetzen, dass eben dasjenige, was die Grundlage aller Causalverhältnisse ausmacht, selbst das Produkt eines solchen Verhältnisses sei.

 

Die Ansichten der Theisten über diesen Gegenstand sind, wie man weiss, verschieden. Einige Nachfolger von Descartes und auch Berkeley glaubten, dass Gott selbst zu jeder Ursache die Wirkung schaffe und Alles unmittelbar aneinanderpasse, kurz selbst die Rolle spiele, welche man sonst der natürlichen Verknüpfung der Dinge zuschreibt. Andere dagegen meinten, dass Gott die Dinge der Welt von Anfang an so eingerichtet habe, dass dieselben ohne weitere Beihülfe, nach immanenten Gesetzen des Zusammenhangs ihre Ordnung erhalten. Diese Einrichtung kann man nicht anders, als mit Leibniz eine prästabilirte Harmonie nennen. Wie man sich die Sache sonst noch denken kann, bin ich nicht einmal im Stande zu begreifen. Ich glaube, dass jede theistische Ansicht sich auf eine von diesen beiden zurückführen lasse, wenn sie über-

 

 


 

372 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.

 

haupt einen verständlichen Sinn hat. Aber keine von diesen beiden Ansichten hat irgend welche Berechtigung. Denn wenn Gott dasselbe leisten soll, was die natürliche Verknüpfung der Dinge leistet, und man zu ihm auf demselben Wege des Schliessens gelangt, wie zu dieser, so fällt er mit ihr in eins zusammen. Die Behauptung seiner Ausserweltlichkeit ist dann eben eine baare Behauptung, welche aus den Grundlagen des Schlusses auf keine Weise hervorgeht.*) Wenn dagegen Gott nicht selbst die Rolle des Vermittlers zwischen den Erscheinungen übernimmt, sonhern man eine von ihm unterschiedene natürliche Verknüpfung der Dinge annehmen muss, so hat die Behauptung, Gott habe diese Verknüpfung geschaffen, noch weniger Sinn, denn alles Schliessen auf die Ursache setzt eben diese Verknüpfung des Verschiedenen in der Succession voraus.

 

Schliesslich zeigt es sich noch zum Ueberfluss, dass wenn es auch zulässig wäre, auf eine Ursache der allgemeinen Ordnung und Gesetzmässigkeit der Welt zu schliessen, dieser Schluss doch nie über die Erfahrung hinausführen und das Unbedingte erreichen würde. Alles, was durch den Schluss auf die Ursache erkannt wird, ist eo ipso schon ein empirischer Gegenstand. Dieses muss kurz und bündig nachgewiesen werden.

 

Der Satz der Causalität kann nur entweder aus blosser Erfahruug durch Induction gewonnen oder aber a priori gewiss sein. Ein Drittes ist nicht möglich. In keinem von diesen Fällen führt er zu dem Unbedingten.

 

Stammt der Satz der Causalität selbst aus Erfahrung her, so kann er selbstverständlich nie dazu dienen, über die

 

_______

*) Sehr deutlich ist diese Verwechselung bei Brown (Cause and Effect p. 378) ausgedrückt: „Who perfoms a single action of daily life in reliance on the similarity of the future to the past, has already confessed the existence of God.“ Ganz recht, wenn, wie Brown an einer Stelle (Eb. p. 405) sagt, „God is one of the powrers of nature“, aber nicht im anderen Falle.

 

 


 

Der Theismus.

373

 

Erfahrung hinauszugehen. Das empirische Fortschreiten von Gegenstand zu Gegenstand, die Induction ist eben ein Schliessen von ähnlichen Fällen auf ähnliche; es ist also physisch unmöglich, auf inductivem Wege eine Ursache zu erschliessen, welche von den empirisch gegebenen dem Wesen nach verschieden wäre. Alles, was durch Induction gewonnen wird, ist eine blosse Erweiterung der Erfahrung. Denn deren Gültigkeit beruht eben auf der Voraussetzung einer Verknüpfung der Erscheinungen, die sie zu einem Complexe der erfahrungsmässigen Wirklichkeit macht.

 

Ist aber der Satz der Causalität a priori gewiss, so ist er auch ausnahmslos gültig und es geht dann aus demselben die schon nachgewiesene Folgerung hervor, dass alle Ursachen mit ihren Wirkungen nach gemeinsamen unwandelbaren Gesetzen zusammenhängen. Denn wenn in den ursprünglichen, nicht abgeleiteten Causalgesetzen, in dem unmittelbaren Verhältnisse zwischen Ursache und Wirkung eine Veränderung einträte, so würde dieselbe ohne Ursache eintreten müssen, was dem Satze der Causalität widerspricht. Also auch unter der Voraussetzung der apriorischen Gültigkeit des Causalbegriffs gehören alle Ursachen ohne Ausnahme in den Context der Erfahrung, sind empirische Objecte oder physiklische Antecedentien der Veränderungen, mithin wie diese bedingt.

 

Man muss sich an den Umstand erinnern, dass jeder Zusammenhang, jede Verknüpfung nothwendig gegenseitig ist. A kann nicht mit B verbunden sein, ohne dass B zugleich mit A verbunden wäre. So ist es auch in dem Verhältnisse von Ursache und Wirkung. Da aber die Ursache in der Succession vor der Wirkung vorhergeht, vor dem Eintritt dieser schon existirt, so scheint sie eine gewisse Unabhängigkeit von der Wirkung zu besitzen. Daher gewöhnt man sich leicht an den Gedanken einer absoluten Ursache. Allein eine solche widerspricht dem Causalitätsgesetze selbst. Eine Ursache ist zwar ihrem Dasein nach von ihren Wirkungen unabhängig,

 

 


 

374 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.

 

aber ihr Wesen bezieht sich nothwendig auf alle Wirkungen, die sie unter verschiedenen Umständen hervorbringen kann. Treffen die Umstände ein, so tritt auch die gehörige Wirkung unausbleiblich ein, und dass gerade eine solche und keine andere Wirkung eintritt, ist ebensowohl in der Natur der Ursache, wie in den sonstigen mitbetheiligten Umständen begründet.

 

Auf allen Wegen gelangen wir also zu dem Ergebniss, dass der Schluss auf eine ausserweltliche Ursache der Ordnung der Dinge nicht gültig und berechtigt ist, und dass wenn er auch gültig wäre, das durch ihn Erschlossene nicht das Unbedingte, sondern ein empirischer, bedingter Gegenstand sein würde. »Sollte das empirisch-gültige Gesetz der Causalität,« sagt Kant (Kr. d. r. Vft. S. 506 – 7), »zu dem Urwesen führen, so müsste dieses in die Kette der Gegenstände der Erfahrung mitgehören; alsdann wäre es aber, wie alle Erscheinungen, wiederum bedingt.« Nur hat Kant unverantwortlicherweise, trotz dieser Einsicht und trotzdem dass nach seiner Lehre der Satz der Causalität überhaupt gar keine objective Gültigkeit haben soll, das Uebersinnliche, das Ding an sich oder Noumenon durchweg als die Ursache der Erscheinungen gedacht.*)

 

Wenn nun der blosse Schluss auf das Unbedingte als Ursache nicht zulässig ist, weil dasselbe in keinem Sinne als Ursache gedacht werden kann, so wird die Unzulässigkeit noch grösser, wenn man auf Grund dieses Schlusses die Natur der Ursache selbst bestimmen will.

 

Eine Ursache, die man selbst nicht erkennen kann, kann nur entweder nach Analogie ihrer Wirkungen gefasst

 

_______

*) Noch in der Kritik der Urtheilskraft (S. 35) behauptete Kant, dass das Uebersinnliche in der Welt wirke, „obzwar das Wort Ursache, von dem Uebersinnlichen gebraucht, nur den Grund bedeutet, die Causalität der Naturdinge zu einer Wirkung, gemäss ihren eigenen Naturgesetzen zu bestimmen.“

 

 


 

Der Theismus.

375

 

werden, oder nach Analogie anderer bekannter Ursachen, deren Wirkungen mit den ihrigen eine Aehnlichkeit haben. Aber das Unbedingte nach Analogie empirischer Gegenstände zu denken, ist offenbar ein Verfahren, welches sich selber aufhebt. Denn der Grund, ein von der Welt unterschiedenes Unbedingtes anzunehmen, liegt ja eben darin, dass die Gegenstände der Erfahrung nicht unbedingt sind. Sobald man diesen Unterschied aufgibt, gibt man selbst jede vernünftige Veranlassung auf, nach einem Unbedingten ausser der Welt zu fragen. Es ist wahrhaft erstaunlich, dass man sich je hat einbilden können, das Problem, welches die Welt darbietet, dadurch lösen zu können, dass man in der vermeintlichen Lösung desselben das Problem selbst wiederholte.

 

Dss man die vorausgesetzte Ursache der Welt stets als einen der Art nach empirischen Gegenstand gedacht hat und noch denkt, ist Thatsache. Namentlich wird dieser Ursache eine der menschlichen ähnliche Natur zugeschrieben, vornehmlich weil der Mensch nichts Höheres als sich selber kennt, aber auch noch aus anderen Gründen, welche im 2. Bande zur Sprache kommen werden. Die naiven Völker und Menshen treiben diesen Empirismus so weit, dass sie ihre Götter, die Herren der Welt, unter Umständen leibhaftig zu sehen und zu betasten glauben, und dieselben überhaupt recht sinnlich und körperlich vorstellen. Die mehr vorgeschrittene Reflexion führt zu einer Läuterung des Gottesbegriffs, welche darin besteht, dass man Gott nicht mehr die körperliche, sondern nur noch die psychische Natur des Menschen zuschreibt, und ihn dabei mit allerlei Vollkommenheiten ausstattet, welche dem Menschen bei einem Wesen seiner Art überhaupt denkbar sind, nur ins Maasslose übertrieben. Dass ein auf solche Weise gedachtes Wesen nicht das Unbedingte sein kann, brauche ich nicht mehr zu wiederholen.

 

In dem Vorhergehenden glaube ich gezeigt zu haben, dass alle Versuche, das Gegebene aus dem Unbedingten abzuleiten verfehlt sind, gleichviel ob man das Unbedingte

 

 


 

376 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.

 

pantheistisch, als der gegebenen Welt selbst inhärirend, immanent, oder theistisch, als ausser ihr liegend und von ihr verschieden denkt. Das Unbedingte kann eben nicht selbst als Bedingung gedacht werden. Darauf beruht die fundamentale Antinomie, die wir sofort darlegen werden.