VIERTES KAPITEL.

DAS REALE IST AN SICH EINS.

 

Es ist gezeigt worden, dass alle Vereinigung des Verschiedenen dem unbedingten Wesen der Dinge fremd ist. Denn eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen würde einen Widerspruch ausmachen, kann also in der Wirklichkeit nicht vorkommen und eine bedingte Verbindung desselben nach Gesetzen, obgleich nicht widersprechend und unmöglich, ist eben auch nicht unbedingt und kann mithin zum Ansich der Dinge nicht gehören. Da nun also die gegebene Welt, in welcher das Verschiedene durchgängig unter einander nach Gesetzen zusammenhängt, die Erscheinung des Wirklichen in einer diesem an sich fremden Beschaffenheit ist, so fragt es sich: Was ist dieses fremde Element in der gegebenen Welt, ob ihre Vielheit oder ihre Einheit? Oder mit anderen Worten: Ist umgekehrt das Reale, das Unbedingte an sich eine Einheit, Eine Substanz, wie es Spinoza und so viele vor und nach ihm angenommen haben? Oder ist das Reale in seinem unbedingten Wesen eine Vielheit, eine Anzahl von Substanzen, wie es die Atomiker, Leibnitz, Herbart und Andere behaupten? Wir müssen sehen, was sich darauf wird antworten lassen.

 

Man wird vielleicht meinen, dass ich die Frage nach der Einheit oder Vielheit des Unbedingten eher untersuchen sollte, als dessen Verhältniss zu der gegebenen Wirklichkeit, da die Verhältnisse eines Dinges auch von dessen Beschaffen-

               

 


 

296 Drittes Buch. Viertes Kapitel.

 

heit abhängen. Allein wir haben bloss zwei Data, auf welche ein Schluss auf das Wesen des Realen an sich begründet werden kann, nämlich: Erstens, den apriorischen Begriff eines Realen, eines Objects, nach welchem dasselbe in seinem eigenen Wesen mit sich selbst vollkommen identisch ist, und zweitens, die Beschaffenheit der gegebenen Welt. Da nun diese letztere also die einzige thatsächliche, factische Prämisse des Schlusses ist, so müssen wir offenbar das Verhältniss der Welt zum Unbedingten untersuchen, ehe wir von ihr auf dieses schliessen wollen. Denn nur aus der Art, wie sich das Gegebene zu dem Unbedingten oder dem Realen an sich verhält, kann etwas aus ersterem in Hinsicht des letzteren gefolgert werden. – Verfährt man in umgekehrter Ordnung, so wird man unvermeidlich zu Trugschlüssen verleitet, welche die ganze Auffassungsweise des Gegenstandes von vornherein verrücken und verfälschen. So hat z. B. Herbart eine Mehrheit von Realen oder Substanzen angenommen, weil er, ohne vorhergehende Untersuchung, als etwas Selbstverständliches voraussetzte, dass das Gegebene eine Wirkung des Realen an sich sei und sich aus diesem nothwendig ableiten lassen müsse. Ihm war es eben hauptsächlich um eine Erklärung des Gegebenen zu thun, und da »schon der geringste Versuch der Natureklärung sogleich auf Vielheit der Realen führt« (All. Met. I, S. 590), so hat er also ganz unbedenklich den Satz aufgestellt: »Wie viel Schein, so viel Hindeutung aufs Seyn« (Eb. II, 79). Wenn man aber diesen Satz in der Form eines Syllogismus auseinangerlegt, so lautet er folgendermassen:

 

Das Gegebene ist nicht das Reale an sich (dies besagt sein Prädikat »Schein«);

 

Das Gegebene (der Schein) ist vielfach;

 

Also ist auch das Reale an sich vielfach, was ein offenbarer handgreiflicher Paralogismus ist.*)

 

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*) An diesem Satze Herbart’s „wie viel Schein, so viel Hindeutung aufs Seyn“ zeigt sich der Gegensatz der beiden oben erwähnten Wege

 

 


 

Das Reale ist an sich eins. 

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Uns dagegen kommt es nicht darauf an, zu erklären, sondern bloss zu erkennen. Wir wollen nicht wissen, wie das Gegebene aus dem Realen an sich oder dem Unbedingten hervorgehe, sondern wir wollen bloss wissen, was mit Recht aus der Beschaffenheit des ersteren auf die des letzteren gefolgert werden könne und dürfe. Und dann ist es nach den vorhergehenden Untersuchungen klar, dass wir zu einem dem Herbart’schen entgegengesetzten Schlusse gelangen müssen. Aus der Beschaffenheit der gegebenen Welt ergibt sich nicht die Vielheit, sondern die Einheit des Realen an sich. Die Annahme einer Vielheit von Substanzen, Noumenen oder Dingen an sich kann eben nur dann einen Sinn haben, wenn

 

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zum Hinausgehen über das Gegebene und die Unhaltbarkeit des von den Metaphysikern eingeschlagenen Weges so besonders deutlich, dass ich ihn nicht ohne einige Bemerkungen lassen will. Der obige Satz sezt offenbar als nothwendige Prämisse die Annahme voraus, dass das Sein (das Unbedingte) den zureichenden Grund vom Schein enthalte. Nur unter der Voraussetzung dieser Prämisse konnte jene Behauptung überhaupt Jemandem einfallen. Und so sagt auch Herbart in der That: „Wenn das Reale nicht wirkte, woher käme dann die Erscheinung?“ (Allg. II. 68). Aber gerade diese Prämisse ist so augenscheinlich unhaltbar, dass Herbart selbst sagt: „Sehen wir schon ein, dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, so wissen wir hiermit, dass wir die Unwahrheit des Scheins fern halten müssen von der Wahrheit des Seyenden .... Es läge ja sonst im Seyenden der Keim seines Gegentheils“ (Eb.)  „Also“, fügt er hinzu, „sind Mittelglieder nöthig“. Diese Conclusion ist äusserst bezeichnend und bemerkenswerth. Trotz der klaren Einsicht, dass der „Schein“ etwas dem Seienden oder den Dingen an sich Fremdes enthält, wovon in diesen auch nicht der „Keim“ liegen kann, will Herbart dennoch den Schein aus dem Sein ableiten und erklären, weil sich ihm von vornherein, ohne Prüfung der Glaube eingeprägt hat, dass das Unbedingte, das Seiende der zureichende Grund des Gegebenen enthalten müsse: „Wenn das Reale nichts wirkte, woher käme dann die Erscheinung?“ Auf die offenkundige Thatsache, dass jedes Ereigniss ein anderes vorhergehendes und so weiter ins Unendliche voraussetzt, dass also die Reihe der Ereignisse keiner definitiven Begründung, d. h. dass das Gegebene keiner Erklärung oder Ableitung aus dem Unbedingten fähig ist, hat Herbart keine Rücksicht genommen.

 

 


 

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das Gegebene als eine Folge oder als ein Produkt der Einwirkung dieser Dinge auf einander angesehen werden darf. Allein es ist gezeigt worden, dass gerade diese Auffassung vollkommen unzulässig, dass die Annahme einer solchen Einwirkung der Dinge ganz müssig ist, da wir nichts von derselben in dem ganzen Umfange unserer Erfahrung antreffen und es ausserdem dem Begriffe eines Dinges an sich direct widerspricht, eine Ursache zu sein. Die Vielheit der Dinge oder Substanzen (d. i. der Körper), welche wir in der Erfahrung wahrzunehmen scheinen, existirt notorisch und nachweisbar nicht in der Wirklichkeit. Hinter dieser scheinbaren Welt aber noch eine imaginäre Welt von unerkennbaren Substanzen annehmen heisst offenbar, einen schlechten Spass mit ernster Miene ausführen. Sagt doch Herbart selbst ganz richtig: »Hilft es etwas, wenn man die gegebene Sinnenwelt durch eine andere erdichtete vermehrt? >(All. Met. II, S. 162).

 

Wenn wir von dem Gegebenen zu dem Unbedingten nicht durch einen Schluss auf die Ursache gelangen können, sondern bloss durch das Bewusstsein, dass das Reale an sich, in Wahrheit nicht so beschaffen ist, wie wir es in der Erfahrung erkennen, so müssen wir nothwendig die Vielheit des Realen an sich leugnen. Denn da das Gegebene die Darstellung des Realen, nicht wie dasselbe an sich ist, sondern in einer anderen, also diesem fremden Beschaffenheit ist, und da eben die Beschaffenheit des Gegebenen die Form der Vielheit trägt, so müssen wir eben die Vielheit als dem Realen an sich fremd betrachten. So sehen wir denn auch, dass das Gegebene in seiner Vielfachheit und Mannigfaltigkeit ein blosses Geschehen ist, einem steten Wechsel unterworfen. Der Wechsel bedeutet aber, wie schon gezeigt (s. oben S. 215) die sich thatsächlich bewährende Zufälligkeit der Formen, in welchen das Reale gegeben ist, d. h. die Nichtzugehörigkeit derselben zu dessen eigenem Wesen. In dem Wechsel des Mannigfaltigen erweist sich mithin auch die

 

 


 

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Mannigfaltigkeit desselben als etwas dem Realen an sich, dem wahren Wesen der Wirklichkeit Fremdes.

 

Ist nun aber das Reale an sich eins, so ist dasselbe auch einfach, nämlich mit sich selbst vollkommen identisch, also ohne alle Unterschiede in seinem Wesen. Geben wir das Geringste von der Identität des Realen mit sich, also auch von seiner Einfachheit auf, so lassen wir damit eben den Begriff fallen, auf Grund dessen allein wir ein von der gegebenen Wirklichkeit unterschiedenes Wesen der Dinge nicht bloss behaupten, sondern auch nur vermuthen können. Allein diesen Gedanken festzuhalten, scheint fast das menschliche Vermögen zu übersteigen. Mansel sagt: »The almost unanimous voice of philosophy in pronouncing that the absolute is both one and simple, must be accepted as the voice of reason also, so far as reason has any voice in the matter.« *) Aber ich weiss von diesem »unanimous voice« der Philosophie nichts. Vielmehr haben Alle, welche ein einziges Reales oder Unbedingtes annahmen, in dem Wesen desselben auch Unterschiede und Relationen vorausgesetzt.

 

Die Eleaten machen davon allein eine Ausnahme; und dass selbst diese eine Ausnahme machen, wird bestritten. Ausser den Eleaten kenne ich aber keinen einzigen Denker, welcher die Einheit und Einfachheit des Unbedingten consequent festgehalten hätte. Ich habe mich bemüht, die Gründe einzusehen, welche diesen Gedanken so ganz ausserordentlich schwer machen, und glaube, dass folgende drei Dinge dazu mitwirken:

 

1) Die Neigung, dem Gegenstande das zuzuschreiben, was von seiner Vorstellung gilt.

 

2) Die Neigung, unser eigenes, menschliches Wesen für den Typus des Höchsten zu halten.

 

3) Die Neigung, zu glauben, dass das Unbedingte den zureichenden Grund des Bedingten enthalte.

 

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*) Angeführt in dem Werke von H. Spencer „First Principles“, p. 41.

 

 


 

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Keine von diesen Neigungen hat die mindeste objective Berechtigung. Wir wollen dieselben nach einander betrachten.

 

Die Disposition, den Gegenstand vorzugsweise für real zu halten, dessen Vorstellung lebhaft und inhaltreich ist, und umgekehrt, denjenigen als einen abstracten Schemen und Schatten anzusehen, dessen Vorstellung abstract, nicht anschaulich und arm an Inhalt ist, hat ihren Grund offenbar in der Macht, welche die sinnliche Wahrnehmung auf das Bewusstsein ausübt. Die unmittelbare und unabweisbare Art, wie sich uns das gegenwärtig Wahrgenommene aufdringt, überwiegt für den sinnlichen Menschen so sehr an Stärke die Affirmationskraft des bloss Gedachten und Erschlossenen, dass es uns gar nicht wundert, wenn die in Reflexion nicht Geübten derselben ganz unterliegen. Aber auch die Denkenden können sich dieser Gewalt bei weitem nicht immer entziehen. Von einer Einsicht zu sagen: »sie ist eine blosse Abstraction«, ist für viele Menschen gleichbedeutend mit: »sie ist eine blosse Einbildung oder Erdichtung«. Allein wir haben in dem Kapitel über die Natur der Vorstellung gesehen, dass die Gewissheit einer Vorstellung, d. h. die Kraft der ihr innewohnenden Affirmation davon unabhängig ist, ob die Vorstellung concret oder abstract ist, ob sie ihren Gegenstand vor sich oder hinter sich hat. Ist es denn noch nöthig, zu sagen, dass die Wahrheit einer Vorstellung ganz und gar nichts mit ihrer Lebhaftigkeit oder Schwäche, ihrem Reichthum oder ihrer Armuth an Inhalt zu schaffen hat? Wir können uns Sphinxe, Gorgonen und Elfen noch so lebhaft veranschaulichen, so gewinnen cloch diese Gegenstände nicht die geringste Realität. Und umgekehrt, obgleich wir uns von den Zuständen unter der Sonnenatmosphäre oder im Inneren der Nebelflecke keine anschauliche Vorstellung bilden können, so ist es doch unzweifelhaft, dass diese Zustände wirklich existiren. »Aber in den angeführten Beispielen«, wird man sagen, »wissen wir, obgleich wir von den betreffenden Gegenständen keine anschauliche Vorstellung haben, doch, dass die-

 

 


 

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selben einen reichhaltigen Inhalt besitzen, der unter irgend welchen Umständen sich auch einem wahrnehmenden Wesen offenbaren könnte. Während dagegen das schlechthin Einfache schon seinem Begriffe zufolge gänzlich arm und daher bedeutungslos ist.« Das Einfache wäre, wie St. Mill sich ausdrückt, »das Minimum der Existenz« (Examin. etc. p. 62). Allein hier wird man ebenfalls gerade durch die Neigung beherrscht, welche sich in jenen Fällen geltend machte, nämtich die, dem Gegenstande das zuzuschreiben, was von seiner Vorstellung gilt. Unser Begriff des Einen und Einfachen ist in der That sehr arm und leer; er bedeutet eben bloss etwas, das keine Unterschiede in sich enthält. Aber durch diesen Begriff erhalten wir auch keine Vorstellung von dem positiven Wesen des Einen und Einfachen selbst. Unsere Erfahrung bietet uns keinen Gegenstand ohne Unterschiede in ihm, das Einfache ist in der Erfahrung nicht anzutreffen; auf welche Weise könnten wir also wissen, wie dasselbe beschaffen ist? Doch finden wir selbst in unserer Erfahrung etwas, das uns wenigstens zur Warnung dienen kann, unsere Vorstellungen nicht mit dem Gegenstande derselben zu verwechseln. Das, was ich meine, ist nämlich die intensive Grösse oder die Intensität der Phänomena. Dass die intensive Grösse eine Vielheit ist, leuchtet von selbst ein. Denn dieselbe kann vermehrt oder vermindert werden, sie ist eben eine Grösse und Grösse ist gleichbedeutend mit Vielheit. Nichtsdestoweniger sehen wir, dass in der intensiven Grösse z. B. einer punktähnlichen Lichtempfindung oder eines momentanen Tones gar keine Vielheit von Einzelheiten und nicht eine Spur von Unterschieden wahrgenommen oder auch nur vorausgesetzt werden kann, obgleich die Stärke des Lichts oder des Tons in der Wahrnehmung selbst wächst und abnimmt.*)

 

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*) Es versteht sich, dass dieses Einfache der Empfindung durchaus verschieden ist von dem wahren übersinnlichen Einfachen. Ersteres ist ein flüchtiges Phänomen, ans dessen Wesen wir gar nichts über die Natur

 

 



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Ich will nicht etwa behaupten, dass das Unbedingte eine intensive Grösse sei; ich will nur darauf aufmerksam machen, dass man aus der Dürftigkeit unseres Begriffs nicht die Dürftigkeit oder gar die Nichtexistenz seines Gegenstandes folgern darf. Die objective Wahrheit des Begriffs, welchen wir von dem eignen, unbedingten Wesen der Dinge haben, ist von uns im 2. Buche durch unzweideutige Zeugnisse der Erfahrung selbst bewiesen worden; die abstracte Natur dieses Begriffs hat mithin gar nichts zu thun mit unserer Gewissheit von der Existenz und der Erhabenheit des entsprechenden Gegenstandes. Dieser Gegenstand ist das einzige wahrhaft Reale oder Seiende selbst und die erkennbare, sinnliche Welt hat nur soweit Werth und Realität, als sie an demselben inneren Antheil besitzt.

 

Der zweite Grund, die Neigung, unser menschliches Wesen für den Typus des Höchsten zu halten, ist ebenso mächtig und ebensowenig berechtigt, wie die erste. So sagt z. B. der fremde Dialektiker in Platon’s »Sophist«: »Sollen wir uns leichtlich überreden lassen, dass in der That Bewegung und Leben und Seele und Vernunft dem wahrhaft Seienden gar nicht eigne? Dass es weder lebe noch denke, sondern ohne die hehre und heilige Vernunft zu haben unbeweglich sei?« Und selbst Herbart, der mit solcher Entschiedenheit lehrte, dass »die Qualität des Seienden schlechthin einfach und allen Begriffen der Quantität unzugänglich sei«, behauptete unbefangen: »Gott darf man sich nicht als einfaches Wesen denken, weil das Einfache völlig werthlos ist« (Kl. Schr. III, S. 176).*)

 

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des letzteren erschliessen können. Ueber den Unterschied des Einfachen in der Anschauung und des Einfachen ausserhalb derselben hat Kant in seiner Streitschrift gegen Eberhard (s. Erster Abschnitt, B) gute Bemerkungen vorgebracht.

 

*) Daraus kann man ersehen, dass, wenn Herbart den Begriff des ,,einfachen Realen“ als ein Princip des Wissens aufstellte, nach welchem alle Ergebnisse desselben aufgesucht und beurtheilt werden müssen, dies nicht sein ganzer Ernst sein konnte. Denn in der Annahme eines nicht-

 

 



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Er wollte also lieber einen nichteinfachen, d. h. doch wohl zusammengesetzten Gott haben, um nur demselben Menschenähnlichkeit zuschreiben zu können. Thatsache ist eben, dass die Neigungen der Menschen stärker sind, als ihre Einsichten. So namentlich in dem vorliegenden Falle. Weil das uns bekannte physische unbewusste Dasein niedriger steht, als das bewusste menschliche, glaubt man sofort, dass alles und jedes unbewusste Dasein überhaupt niedriger stehe. Allein man hat mit Recht schon früher bemerkt, dass es eine Art des Daseins geben kann, welche ebensoweit über das selbstbewusste Leben des Menschen erhaben ist, wie dieses über die dumpfe und stumme Existenz der Materie. Ueberhaupt ist zu bemerken, dass bei der Werthschätzung eines Gegenstandes die Quantität gar nicht in Betracht kommen darf. Das Werthlose bleibt, auch wenn millionenfach vervielfältigt, werthlos; das Höchste dagegen ist quantitativ gar nicht zu messen und aufzufassen.

 

Die dritte Neigung, vorauszusetzen, dass das Unbedingte den zureichenden Grund der gegebenen Wirklichkeit enthalte, ist schon besprochen worden und wird in dem nächsten Buche noch zur Sprache kommen. Auch der nachlässigste Denker begreift wohl, dass aus dem Einen, welches zugleich einfach ist, die bunte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen nicht abgeleitet werden kann. Daher ist die Annahme eines Unbedinten, welches wirklich eins und einfach wäre, von vornherein verurtheilt. »Die eleatische Lehre«, sagt z. B. Herbart, »wird von dem Vorwurf niedergedrückt, dass sie das Seyn von der Erscheinung gänzlich losreisse und diese durch jenes nicht erkläre« (Lehrb. z. Einl. S. 174). Allein in den Augen eines

 

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einfachen Gottes erweist es sich ja, dass jener Begriff für Herbart eine blosse Hypothese war, die man an der Stelle fallen lassen kann, wo sie zu gewünschten Erklärungen nicht ausreicht. Und doch wunderte er sich über die Metaphysiker, welche Gott als etwas Ueberseiendes fassen wollten. „Wie konnte man je das reine Seyn übersteigen wollen?“ sagt er, „von dem absolut Nothwendigen reden?“ (Kl. Schr. herausg. von Hartenstein, I, S. 216).

 

 



304 Drittes Buch. Viertes Kapitel.

 

»Philosophen«, d. h. eines »Freundes der Weisheit«, ist dieses gar kein Vorwurf. Denn das Ziel eines echten Weisheitsfreundes ist nicht die Erklärung, sondern die Erkenntniss, und die unbefangene Forschung kann möglicherweise zu dem Resultate führen – wie es nach unseren vorhergehenden Untersuchungen wirklich der Fall ist – dass das Gegebene aus dem Unbedingten gar nicht abgeleitet und erklärt werden kann, weil es eben Elemente enthält, welche diesem fremd sind.

 

Die Folge dieser und der anderen besprochenen Neigungen ist, dass selbst Männer, welche ganz fest behaupten, von dem Nichtsinnlichen uud Unbedingten gar keine Kenntniss, ja nicht einmal irgend einen Begriff zu haben, demselben nichtsdestoweniger verschiedene Eigenschaften zuschreiben, die sie natürlich an empirischen Gegenständen kennen gelernt haben.