DRITTES KAPITEL.

BEWEIS DES OBERSTEN DENKGESETZES:

I) AUS DER RELATIVITAET DER EMPIRISCHEN OBJECTE.

 

1. Sinn und Gehalt des obersten Denkgesetzes.

 

Nunmehr kommen wir an den Kern und Schwerpunkt des vorliegenden Werkes, an die Auseinandersetzung des fundamentalen Gesetzes des Denkens und die Beweise desselben, welche die Erfahrung selbst bietet. Schon einige male habe ich erwähnt, dass das Grundgesetz des Denkens ein Begriff von dem unbedingten Wesen der Dinge ist, d. h. die innere Nothwendigkeit, etwas von dem unbedingten Wesen der Dinge zu glauben. Um den Sinn und Inhalt dieses Glaubens zu fassen, ist es nun vor Allem nöthig, zu untersuchen, was Bedingtsein überhaupt bedeutet; eine Untersuchung, welche keine Schwierigkeiten bietet, da wir dabei bloss analytisch zu verfahren, aus dem Kreise unserer Begriffe nicht herauszugehen brauchen.

 

Bedingtsein ist einfach Abhängigkeit von einer Bedingung und eine Bedingung kann man ihrerseits nicht anders definiren, denn als etwas von dem etwas Anderes abhängt. Alles Bedingtsein implicirt daher nothwendig eine Beziehung, eine Relation auf Anderes.

 

Kann man nun diesen letzteren Satz auch umkehren und sagen, dass alle Relativität nothwendig ein Bedingtsein implicire und bedeute?

 

Möglicherweise ist dem in der That so; zuerst müssen

 

 



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wir aber sorgfältig hervorheben und uns klar machen, dass Bedingtsein und Relativität von Hause aus nicht ein Begriff, sondern zwei verschiedene Begriffe sind.

 

Es ist schon manchmal die Ansicht ausgesprochen worden, die Erkenntniss und ihre Objecte könnten ursprünglich und ihrem ganzen Wesen nach sich aufeinander beziehen, so dass weder dem Subjecte noch den Objecten irgend etwas zu Grunde liegt, was in dieser ihrer gegenseitigen Beziehung nicht mit inbegriffen ist. Ob eine solche Beziehung wirklich denkbar ist oder nicht, ist eine andere Frage; aber falls eine solche Beziehung zwischen der Erkenntniss und ihrem Objecte bestände, so würde die Natur dieser beiden zwar wesentlich eine relative – denn dieselben würden eben nur in Relation zu einander bestehen können – aber keine im eigentlichen Sinne bedingte sein. Das Subject würde dann mit unbedingter und uneingeschränkter Wahrheit die Objecte gerade so erkennen, wie sie an sich sind, und umgekehrt würde das Ansich, das eigene Wesen der Objecte nicht von ihrer Auffassung im Subjecte abhängen (was ein wirkliches Bedingtsein ausmachte) sondern von Hause aus mit derselben eins sein. Was ursprüng1ich, seinem eigenen und ganzen Wesen nach zu einander gehört, das kann man nicht als verschiedene Gegenstände einander entgegensetzen, sondern das ist vielmehr ein und derselbe in sich gegliederte und unterschiedene Gegenstand. Den metaphysischen Denkern ist diese Vorstellung sehr geläufig. Meistentheils denkt man sich die »Absolute Einheit« oder die »Erste Ursache« als ein Gebilde, in dem Vielfaches unterschieden werden kann, welches also nothwendig zu einander in enger Beziehung steht. Aber man denkt dieses Verschiedene in dem Einen nicht als ein Bedingtes wegen seiner gegenseitigen Relativität, sondern sieht vielmehr umgekehrt in demselben die Natur des Unbedingten oder Absoluten selbst.*)

 

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*) Nach Spinoza z. B. sollte das Unbedingte die Attribute von Denken und Ausdehnung und noch viele andere, uns unbekannte enthalten. Der

 

 



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Welche Art von Beziehung oder Relation constituirt nun also ein Bedingtsein?

 

Nur wenn zwei Gegenstände einander von Hause aus fremd sind, wenn sie nicht ursprünglich ihrem eigenen Wesen nach ein Object bilden, nicht Momente einer und derselben Einheit sind, nur dann ist die Abhängigkeit des einen dieser Gegenstände von dem anderen ein wirkliches Bedingtsein. Nehmen wir unsere eigene innere Erfahrung zur Erläuterung dieser Einsicht. Entschliesse ich mich selbst zu einer Thathandlung, so sagt man, ich handle oder bin frei, d. h. insoweit unbedingt; ist mir aber dieselbe Handlung von Anderen vorgeschrieben oder überhaupt durch äussere Einflüsse aufgezwungen und nothwendig gemacht, so bin ich dadurch gebunden, in meinen Entschlüssen bedingt, abhängig und unfrei. Eine Einschränkung, die ich mir selber auferlege, ist keine Einschränkung; kommt sie dagegen von Anderen her, die nach meinen Wünschen nicht fragen, so fühle ich dieselbe als einen wirklichen Zwang, als eine gegebene Bedingung, welcher sich mein Verhalten fügen muss.

 

Wenn nun zwei Gegenstände ihrem innersten Wesen nach einander fremd sind und der eine dennoch von dem anderen abhängt, so bildet offenbar diese Abhängigkeit ein dem dadurch bedingten Gegenstande fremdes Element, welches in demselben liegt. Bedingtsein bedeutet also im eigentlichen Sinne nichts Anderes, als das Vorhandensein eines fremden Elements in dem betreffenden Dinge. Eine Bedingung, welche zu dem eigenen Wesen eines Dinges gehört, ist überhaupt keine Bedingung. Denn man kann sie von dem Dinge selbst

 

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landläufigen Ansicht gemäss soll das Unbedingte seiner selbst sich bewusst sein, also in ein Subject und ein Object des Selbstbewusstseins zerfallen. Ein phantasiereicher Schriftsteller der Gegenwart, Herr E. v. Hartmann hat in dem „Unbewussten“, welches er für das Unbedingte hält, sogar einen „Willen“ und eine „Vorstellung“ entdeckt, welche sich als selbständige Mächte geriren, mit einander kämpfen und doch Eigenschaften eines und desselben Gegenstandes sind.

 

 



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nicht unterscheiden und diesem nicht entgegensetzen, a1s Etwas, zu dem das Ding in einer Beziehung der Abhängigkeit stände. Ein Gegenstand also, welcher von keinen anderen Bedingungen abhängt, als nur von solchen, die in seinem eigenen Wesen liegen, ist ganz und gar nicht bedingt. Denn er würde eben nur von sich selber abhängen, d. h. mit anderen Worten, gar nicht abhängig sein.

 

Nach dem Obigen ist es also ein analytischer, selbstverständlicher Satz, dass das eigne Wesen der Dinge nothwendig unbedingt ist, dass folglich die Begriffe »Ding an sich« und »Unbedingtes« gleichbedeutend sind, in eines zusammenfallen.

 

Diese Einsicht ist von der höchsten Wichtigkeit. Dieselbe implicirt nichts weniger als eine vollkommene Revolution in der Auffassung des Verhältnisses zwischen dem Unbedingten und dem Bedingten. Dieses Verhältniss darf man nun nicht mehr, wie gewöhnlich, als dasjenige von Grund und Folge denken, sondern muss es vielmehr als das Verhältniss von »Ding an sich« und »Erscheinung« fassen, welches von dem zwischen Grund und Folge bestehenden radical verschieden ist und in den nachfolgenden Theilen dieses Werkes ausführlich und allseitig erörtert werden wird.

 

Wir brauchen nun die oben gewonnene analytische Einsicht neben die in der 3. Formel des Satzes vom Widerspruch enthaltene Aussage zu stellen, um sofort zu ersehen, dass diese Formel eine Behauptung über das eigne, unbedingte Wesen der Dinge ist, welcher zufolge diesem letzteren alle Relativität, alle Vereinigung des Verschiedenen fremd ist.

 

In dem vorigen Kapitel haben wir gefunden, dass die gewöhnliche Formel des Satzes vom Widerspruch, die noch keine Behauptung über die Natur realer Gegenstände enthält, uns mit Nothwendigkeit zur 2. Formel desselben führt, welche schon nicht mehr blosse Regel für die Urtheile, sondern auch eine bestimmte Aussage über die Natur realer Dinge ist. Die zweite Formel hat sich ihrerseits nur als ein besonderer

 

 



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Fall der dritten erwiesen, welche letztere zwar nicht mehr als Regel für die Urtheile gebraucht werden kann, dafür aber der uneingeschränkte Ausdruck einer unmittelbar gewissen Einsicht in die Natur der Dinge ist. Diese 3. Formel lautet, wie wir wissen so:

 

Verschiedenes kann nicht an sich, als solches eins und dasselbe sein,

               

oder mit anderen Worten:

 

Eine unbedingte Vereiniguug des Verschiedenen ist nicht möglich.

 

Dass dieser Satz selbstverständlich ist und gar nicht in Zweifel gezogen werden kann, das wird gewiss Jedermann zugeben. Aber man wird leicht geneigt sein, denselben für eine blosse Trivia1ität, für eine Binsenwahrheit zu halten, da er nicht, wie die anderen Formeln des Satzes vom Widerspruch, als Regel für die Urtheile dienen kann und auf den ersten Blick auch nichts für das gewöhnlichste Bewusstsein Neues auszusagen scheint. Nunmehr sehen wir aber, dass dieser Satz etwas für das gewöhnliche Bewusstsein durchaus Neues und Unerwartetes aussagt. Denn wir brauchen ihn nur neben die analytisch erreichte Einsicht, dass

 

das eigene Wesen der Dinge nothwendig unbedingt ist und darum bloss unbedingte Eigenschaften haben kann

 

zu stellen, so ergibt sich aus diesen zwei Prämissen mit unmittelbarer logischer Consequenz, welche selbst dem schwächsten Intellect einleuchten wird, die Folgerung, dass

 

in dem eignen, unbedingten Wesen der Dinge gar keine Vereinigung des Verschiedenen möglich ist.

 

Das ist der Sinn des obersten Denkgesetzes. Alle Annahme einer Vielfältigkeit und Relation in der Natur eines unbedingten Gegenstandes, also die sämmtlichen gewöhnlichen Ansichten über das Unbedingte werden dadurch mit einem Male beseitigt. Als vollkommen gewiss dürfen wir annehmen, dass ein unbedingter Gegenstand weder Denken und Ausdehnung, noch Vorstellung und Willen oder sonst was Anderes

 

 



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in seiner Einheit vereinigen, noch in ein Subject und ein Object des Selbstbewusstseins zerfallen kann. Die Herrschaft der Phantasie, welche sich nur in den Combinationen des Verschiedenen bethätigen kann, wird somit von dem Gebiete der Philosophie vollständig ausgeschlossen. Wer dichten will, der kann es zwar auch ferner thun, aber er maasse sich nicht an, seine Dichtungen für Wissenschaft auszugeben.

 

Der eigentliche Ausdruck der oben constatirten Einsicht muss so lauten:

 

Seinem eignen, unbedingten Wesen nach kann ein Gegenstand in seiner Einheit keine Unterschiede enthalten.

 

Aber die Abwesenheit innerer Unterschiede in einem Dinge heisst mit anderen Worten Identität dieses Dinges mit sich selbst. Was in dem angeführten Satze auf negative Weise ausgedrückt ist, hat mithin den folgenden positiven Ausdruck:

 

In seinem eigenen, unbedingten Wesen ist ein jeder Gegenstand mit sich selbst identisch.

 

So sind wir auf einem Umweg wieder zu dem Satze der Identität gekommen und können nunmehr constatiren, dass die Sätze der Identität und des Widerspruchs der positive und der negative Ausdruck einer und derselben Einsicht sind. Um dieses vollkommen klar zu machen, diene die folgende Betrachtung.

 

Denken wir uns einen unbedingten Gegenstand A, dessen Wesen aus zwei Eigenschaften a und b besteht, so ist A sowohl a als b und nichts als a und b. Da aber a und b von einander verschieden sind, so würde mithin der Gegenstand A, soweit er die Eigenschaft a ist, von sich selber, soweit er die Eigenschaft b ist, verschieden sein. Achten wir nun vornehmlich auf die zwei verschiedenen Eigenschaften a und b, so sehen wir, dass, da beide in diesem Falle das ursprüngliche Wesen eines und desselben Gegenstandes ausmachen, also von Grunde und Hause aus eins sein würden, ihr Verhältniss nichts Anderes, als eine unbedingte und un-

 

 


 

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vermittelte Vereinigung des Verschiedenen sein würde. Denn die Eigenschaft a müsste eben in diesem Falle an sich, ihrem eignen Wesen nach, also gerade so weit sie diese Eigenschaft a ist, zugleich auch b sein und b auf gleiche Weise a. Die folgenden Sätze sind folglich vollkommen gleichbedeutend:

 

Eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen ist nicht möglich – und

 

Kein Gegenstand kann von sich selbst verschieden sein.

 

Der letztere Satz ist aber ganz offenbar bloss die negative Fassung des Satzes:

 

In seinen eignen, unbedingten Wesen ist ein jeder Gegenstand mit sich selbst identisch.

 

Ich sage ausdrücklich: »in seinem eignen, unbedingten Wesen«. Denn eine bedingte Vereinigung verschiedener Eigenschaften in einem Object ist nicht ein Unterschied dieses Objects von sich selber, d. h. nicht das contradictorische Gegentheil des Satzes der Identität. Bis jetzt war in Allem lediglich von der unbedingten Natur der Dinge die Rede. Es ist überraschend und doch factisch unzweifelhaft, dass die einzige selbstverständliche Einsicht, die wir haben, nämlich die Einsicht, welche in den Sätzen der Identität und des Widerspruchs zum Ausdruck kommt, sich lediglich auf das unbedingte Wesen der Dinge bezieht. Dies kann nach den vorhergehenden Erörterungen fuer niemand unklar bleiben, nichtsdestoweniger will ich zeigen, wie man auch von dem Satze der Identität ausgehend zu dem gleichen Ergebnisse kommt.

 

Identität eines Dinges mit sich selbst bedeutet Abwesenheit innerer Unterschiede in demselben. Dagegen bedeutet das Bedingtsein eines Gegenstandes, wie oben gezeigt worden, seine Abhängigkeit von einem anderen, fremden Dinge, also das Vorhandensein eines fremden Elements in ihm. Aber das Vorhandensein eines fremden Elements in dem Gegenstande würde offenbar einen inneren Unterschied in ihm ausmachen. Identität eines Gegenstandes mit sich selbst implicirt also – als das contradictorische Gegentheil des inneren Unterschieds,

 

 


 

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nothwendig dessen unbedingte, unabhängige, in sich abgeschlossene und auf sich selbst beruhende Natur.

 

Der Satz »ein jeder Gegenstand ist mit sich selbst identisch« bezieht sich also ebenso offenbar, wie der Satz »Verschiedenes kann nicht an sich, als solches (ohne Bedingung und Vermittlung) eins und dasselbe sein« auf das eigne, unbedingte Wesen der Dinge. Beide sind verschiedene Ausdrücke, der eine positiv, der andere negativ einer und derselben Einsicht, welche selbstverständlich, unmittelbar gewiss, durch sich selbst evident ist. In welchem logischen Verhältniss diese Einsicht zu den Objecten der Erfahrung steht, das werden wir weiter unten ausführlich erörtern; aber deren unmittelbare Gewissheit lässt keinen Zweifel an dem Umstand zu, dass dieselbe ein ursprüngliches Gesetz des Denkens verkörpert, welches in dessen eigner Natur wurzelt und dessen Functionen beherrscht. Dies wird auch factisch dadurch bestätigt, dass wir im 1. Buche dargethan haben, wie namentlich die Erkenntniss der Körperwelt nur auf Grund eines Gesetzes des Denkens entstehen kann, welches uns nöthigt, einen jeden Gegenstand an sich als eine Substanz zu fassen. Dies ist eben das Gesetz des Denkes, welches in den Sätzen der Identität und des Widerspruchs zum Ausdruck kommt. Denn die besagten Sätze beziehen sich auf das eigene, unbedingte Wesen der Dinge.

 

Das Vorhandensein dieses Gesetzes dürfen wir mithin als eine Thatsache betrachten, welche gar keinem Zweifel unterliegt; aber die Frage nach dessen objectiver Gültigkeit bleibt nichtsdestoweniger immer noch offen.

 

Es ist nicht ganz undenkbar, dass wir von Natur disponirt und genöthigt wären, etwas zu glauben, das nicht objectiv wahr ist, dass unser Denken von einem Gesetz beherrscht wäre, welchem ausserhalb des Denkens, also in der Wirklichkeit nichts entspricht. Kant hat, wie man weiss, in der That die Gesetze des Denkens für solche bloss subjective Normen, ohne objective Gültigkeit gehalten. Und noch nach-

 

 



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drücklicher als die Ansicht Kant’s verweist uns auf diese Möglichkeit die im 1. Buche constatirte Thatsache, dass die auf Grund unseres Denkgesetzes von uns erkannte Körperwelt in Wahrheit nicht ausser uns selbst existirt. Diese Thatsache ist wohl geeignet, uns an der Gültigkeit unseres Denkgesetzes irre zu machen. Wo können wir aber, wird man hier vielleicht fragen, die Mittel und Wege finden, das Grundgesetz unseres eignen Denkens zu controliren und zu verificiren? Diese Mittel bietet uns die Erfahrung. Die Erfahrung muss selbst ein nicht misszuverstehendes, unzweifelhaftes Zeugniss für die objective Gültigkeit unseres Denkgesetzes ablegen, ehe wir an diese mit Gewissheit g1auben dürfen. Und die Erfahrung thut’s. Wenn ich vorhin alle abweichenden Ansichten über die Natur des Unbedingten mit Zuversicht abgewiesen habe, so geschah es nur darum, weil ich Beweise aus der Erfahrung selbst für die objective Wahrheit unseres Denkgesetzes anführen kann. An diese Beweise wollen wir jetzt gehen.

 

2. Beweis für die objective Gültigkeit des obersten Denkgesetzes.

 

Bis jetzt haben wir uns auf dem rein logischen Gebiete bewegt, bloss mit unseren eignen Begriffen operirt, ohne die Natur der gegebenen Objecte in Betracht zu ziehen. Denn es handelte sich um die Constatirung und Auseinandersetzung unseres eignen Denkgesetzes, welches durch die Natur der empirischen Objecte nicht afficirt wird. Jetzt aber, wo es sich darum handelt, die objective Gültigkeit dieses Gesetzes zu prüfen, müssen wir unsere Blicke auf die Welt der Erfahrung richten, um ihre allgemeinen Charakterzeichen und deren logisches Verhältniss zu dem Grundgesetze unseres Denkens zu constatiren.

 

Wir haben zwei Ausdrücke dieses Grundgesetzes constatirt, einen positiven, den Satz der Identität, welcher so lautet:

 

 


 

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An sich ist ein jeder Gegenstand mit sich selbst identisch

 

und einen negativen, den Satz des Widerspruchs, welcher in seiner allgemeinsten Form so lautet:

 

Eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen ist nicht möglich

 

und dabei gesehen, dass in beiden Ausdrücken das Gesetz des Denkens sich auf das eigne, unbedingte Wesen der Dinge bezieht.

 

In dem logischen Verhältniss des Widerspruchs zu unserem Denkgesetze steht nun jeder Satz, der eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen behauptet, aber auch nur ein Satz, der eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen behauptet. Darum ist auch nur die Behauptung einer unbedingten Vereinigung des Verschiedenen in sich selbst logisch widersprechend.

 

In vollkommener logischer Uebereinstimmung mit dem Grundgesetze unseres Denkens steht nur dasjenige, was dem Satze der Identität conform, d. h. mit sich selbst vollkommen identisch ist, oder mit anderen Worten, gar keine Vereinigung des Verschiedenen enthält.

 

Würde die Erfahrung eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen bieten, so würde sie in ihrem Wesen selbst logisch widersprechend sein und zu unserem Denkgesetze im Verhältniss des Widerspruchs stehen. Dann würden wir in die Alternative gestellt sein, entweder die Gültigkeit unseres Denkgesetzes zu leugnen oder das Zeugniss der Erfahrung zu verwerfen. Denn diese beiden würden sich dann gegenseitig ausschliessen. Stimmte dagegen die Erfahrung mit unserem Denkgesetze logisch überein, so würden in ihr nur Objecte zu finden sein, welche mit sich selbst vollkommen identisch sind, mit anderen Worten, die Erfahrung würde nirgends Vereinigung des Verschiedenen bieten. Aber schon der erste, oberflächlichste Blick auf die Beschaffenheit der empirischen Objecte zeigt, dass keins von beiden der Fall ist. Die nähere Untersuchung wird uns lehren, dass die Erfahrung überall

 

 


 

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Vereinigung des Verschiedenen bietet, dass aber diese in ihr nirgends und niemals eine unbedingte und unvermittelte ist.

 

Die Welt der Erfahrung zerfällt in eine äussere und eine innere, oder nach den Gegenständen bezeichnet, in eine Welt der Körper und eine Welt der Geister oder Seelen. In beiden muss das oben Behauptete nachgewiesen werden.

 

Ein jeder Körper hat, wie man weiss, mehrere Eigenschaften; aber diese Eigenschaften sind in ihm nicht unmittelbar eins. Wenn ein Körper zugleich roth, rund, süss, schwer und hart ist, so ist in ihm das Rothe nicht selbst, als solches süss, und das Süsse nicht an sich, unmittelbar rund oder schwer, sondern der Körper ist roth in seinem Verhältniss zum Gesichtssinn, dagegen süss in seinem Verhältniss zum Geschmackssinn, schwer in seinem Verhältniss zur Erdmasse u. s. w. Die Vielheit von Eigenschaften ist also in einem Körper durch seine Beziehungen zu anderen Dingen vermittelt und bedingt. So kann z. B. ein Körper, ohne das Licht und das sehende Auge, wohl noch hart und schwer sein; aber er ist dann nicht mehr roth und überhaupt nicht farbig und sichtbar. Wenn wir uns eine Körperwelt denken, in welcher keine Attraction oder Gravitation herrschte, so würde der Körper zwar eine Figur, Farbe, Consistenz u. s. w. haben, aber ohne das Gewicht. Und so ist es mit allen Eigenschaften des Körpers bewandt. Isoliren wir in Gedanken einen einzelnen Körper von allen anderen Gegenständen, so können wir in demselben gar keinen Grund zu einer Vielheit und Verschiedenheit der Eigenschaften mehr finden. Denn Alles, was wir in einem Körper unterscheiden, sind einzig und allein die verschiedenen Arten und Weisen, wie er sieh zu unserer Wahrnehmung und zu anderen Körpern verhält.

 

Aber wir brauchen im Grunde von Körpern, als wirklichen Gegenständen hier nicht zu reden. Denn es ist oben bewiesen worden, dass das, was wir factisch als eine Körperwelt erkennen, unsere eigenen Sinnesempfindungen sind. Gibt es wirkliche Dinge ausser uns, so liegen sie natürlich

 

 


 

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auch ausserhalb unserer Erfahrung und brauchen also hier, wo es sich um das Zeugniss der Erfahrung selbst handelt, nicht in Betracht gezogen zu werden. Die factische Grundlage des Körpers aber, die Sinnesempfindungen, die wir als dessen Eigenschaften erkennen, sind von einander ganz und gar verschieden und stehen nur durch ein gemeinsames Gesetz untereinander in Verbindung, welches macht, dass dieselben stets zusammen angetroffen werden.

 

Dasselbe ist nun auch mit Allem der Fall, was wir in uns selbst, in unserer inneren Erfahrung vorfinden. Unabsehbar ist die Mannigfaltigkeit von Vorstellungen, Neigungen, Fähigkeiten, Bedürfnissen, Aspirationen und anderem inneren Besitzthum, welches ein einzelnes Ich in sich vereinigt. Aber diese Vereinigung des Mannigfaltigen ist keine unbedingte; das Verschiedene in einem Ich ist niemals unmittelbar, als solches eins und dasselbe. Dieses wollen wir an einem besonders prägnanten Fall zeigen.

 

In der ganzen Welt der Erfahrung gibt es keine innigere Vereinigung des Verschiedenen, als diejenige, welche die Einheit von Subject und Object in unserem eignen Selbstbewusstsein bietet. Ich erkenne mich selbst und bin also in diesem Selbstbewusstsein sowohl der Erkennende als auch der Erkannte. Aber auch diese Einheit ist keine unbedingte. Das Erkennende in mir ist nicht unmittelbar selbst das Erkannte, das Subject nicht unmittelbar selbst das Object; sondern wie in allen anderen Fällen die Vorstellung etwas von ihrem Gegenstande Verschiedenes ist, so auch in diesem Falle. Das habe ich schon im 1. Buch (S. 56) bewiesen. Darum ist uns die Einheit unseres eignen Ich unfassbar und kann von uns nicht wahrgenommen werden, trotzdem dass wir diese Einheit selbst sind. Denn alle Wahrnehmung ist ein Act des Vorstellens, liegt also nothwendig auf der einen Seite, auf der Seite des Subjects und kann darum nicht den Vereinigungspunkt der beiden in sich fassen. Darin ist die Einheit unseres Ich gleich der Verbindung des Verschiedenen in

 

 


 

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der Welt überhaupt. Auch diese entzieht sich unserer Wahrnehmung und kann nur durch Induction erschlossen werden, während eine unbedingte Einheit des Verschiedenen in und mit diesem letzteren selbst gegeben sein würde. Die Einheit unseres Ich brauchen wir nun zwar nicht erst zu erschliessen, aber dieselbe ist uns auch nicht als ein fertiges Object gegeben, sondern wir bringen sie gleichsam stets von Neuem selbst hervor, indem wir in dem Umkreis der Erfahrung Einiges (vor Allem unsere Gefühle der Lust und Unlust) als unsere eignen Zustände erkennen, während wir Anderes darin (nämlich die Empfindungen der äusseren Sinne) als eine uns fremde Welt äusserer Gegenstände wahrnehmen.

 

Ueber diese Materie werde ich im 2. Bande des vorliegenden Werkes mehr zu reden haben. Hier war es bloss nöthig, zu zeigen, dass sogar die Einheit unseres Selbstbewusstseins, also, wenn man so sagen darf, die einheitlichste Einheit, welche in der Welt der Erfahrung vorkommt, dennoch keine unbedingte und unvermittelte ist, also nicht gegen den Satz des Widerspruchs verstösst, mit anderen Worten, mit dem Grundgesetze unseres Denkens in keinem Widerspruch steht.

 

Die Erfahrung enthält aber auch keinen Gegenstand, der mit diesem Gesetze übereinstimmte. Denn wie wir sowohl an den Körpern wie an den Geistern oder den Ichs gesehen haben, zeigt sie überall Vereinigung des Verschiedenen, welche das Gegentheil von Identität mit sich ist.

 

Die Gegenstände der Erfahrung sind also weder mit sich selbst identisch, noch auch in sich selbst logisch widersprechend, und stehen zu dem Grundgesetze unseres Denkens weder im Widerspruch noch in Uebereinstimmung. Das logische Verhältniss beider zu einander ist das der Nichtübereinstimmung, so wie die Natur der empirischen Gegenstände als Nichtidentität mit sich bezeichnet werden muss.

 

Was für Folgerungen ergeben sich nun aus diesem 1ogischen Verhältniss der Erfahrung mit dem Grundgesetze

 

 


 

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unseres Denkens? Ein aufmerksamer Leser hat die nächsten Folgerungen schon durchschaut, aber wir müssen nichts destoweniger die Ableitung derselben hier methodisch darlegen.

 

Aus den zwei Prämissen:

 

A). In seinem eignen Wesen ist ein jeder Gegenstand mit sich selbst identisch

 

oder negativ ausgedrückt,

 

In dem eignen, unbedingten Wesen der Dinge ist eine (also unbedingte) Vereinigung des Verschiedenen nicht möglich. Und

 

B) Kein Gegenstand der Erfahrung ist mit sich selbst identisch

 

oder anders gesagt,

 

Die Erfahrung bietet überall Vereinigung des Verschiedenen, aber keine unbedingte, dar,

 

ergibt sich unmittelbar zuerst die erkenntniss-theoretische Folgerung, dass in dem Satze der Identität ein Begriff von dem (eignen) Wesen der Dinge ausgedrückt ist, welcher nicht aus Erfahrung stammen kann, da er mit der Beschaffenheit derselben nicht übereinstimmt.

 

Dies stand schon früher ausser Frage, da die logischen Sätze der Identität und des Widerspruchs unmittelbar gewiss, selbstverständlich sind und der in ihnen ausgedrückte Begriff auch der nicht aus Erfahrung stammenden Erkenntniss der Körper zu Grunde liegt. Jetzt wird dies durch das Zeugniss der Erfahrung selbst bestätigt.

 

Zweitens ergibt sich aus jenen Prämissen ebenso unmittelbar die ontologische Folgerung, dass

 

die Erfahrung uns die Dinge nicht so zeigt, wie sie an sich, ihrem eignen, unbedingten Wesen nach (dem Begriffe a priori gemäss) beschaffen sind

 

mit anderen Worten, dass

 

die Erfahrung Elemente enthält, welehe dem Wesen der Dinge an sich fremd sind.

 

Wir müssen demnach zwei verschiedene Seiten der Wirk-

 

 


 

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lichkeit unterscheiden, welche zwei verschiedene Gebiete derselben ausmachen: Einerseits das eigne, mit sich selbst identische Wesen der Dinge, auf welches sich die Aussage unseres Denkgesetzes bezieht, – das Gebiet des Unbedingten – und andrerseits die empirische Darstellung der Dinge, wie Kant es nannte, die »Erscheinung«, welche nichts Unbedingtes enthält, – also das Gebiet des Bedingten.

 

Das ist die fundamentale Einsicht, welche Allem, was ich hier vorbringen werde, durchweg zu Grunde liegt, und welche, wie ich schon erwähnt habe, eine Revolution der gewöhnlichen Denkweise implicirt.

 

Nunmehr sehen wir auch, wie die Erfahrung gerade infolge ihrer Nichtübereinstimmung mit dem Grundgesetze unseres Denkens für die objective Gültigkeit dieses letzteren selbst Zeugniss ablegt.

 

Dieses Zeugniss legt die Erfahrung dadurch ab, dass in ihr eben Alles bedingt ist, dass in ihr jeder Gegenstand und jeder Bestandtheil eines Gegenstandes mit anderen Gegenständen nach gemeinsamen Gesetzen in Verbindung steht, ohne mit ihnen eins zu sein. Denn das Bedingtsein eines Gegenstandes bedeutet, wie wir wissen, das Vorhandensein von Elementen in ihm, welche dem Wesen der Dinge an sich fremd sind. Die bedingte Vereinigung des Verschiedenen, wie sie in der Relativität der empirischen Objecte, in deren innerer Verbindung nach gemeinsamen Gesetzen vorliegt, ist demnach ein unzweifelhaftes Zeichen dessen, dass die Erfahrung Elemente enthält, welche dem Wesen der Dinge an sich fremd sind. Damit bestätigt also die Erfahrung die Aussage unseres Denkgesetzes.

 

Dieses wird noch besser erhellen aus den folgenden Betrachtungen.

 

Unsere Sinnesempfindungen erkennen wir als eine äussere, uns fremde Welt. Obgleich nun dieselben in Wahrheit keine äussere Welt bilden, so sind sie doch unzweifelhaft unserem individuellen, subjectiven Wesen fremd (s. oben S. 125 ff); aber

               

 


 

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ihrem Dasein nach hängen sie von uns, den erkennenden Subjecten ab, denn sie können nirgends ausser uns bestehen. Zugleich hängen wir aber unsererseits von Bedingungen ab, welche in dieser uns fremden, als etwas Aeusseres erkannten Welt liegen. Solche Bedingungen sind die Luft und die Nahrung, welche wir zu unserem Bestehen brauchen, unsere Gliedmassen und unsere ganze leibliche Organisation, die wir nicht als einen Bestandtheil unseres eignen, inneren Wesens erkennen können, wie es im 2. Bande dargethan wird.*) Hier haben wir also eine Abhängigkeit des Fremden von dem Fremden, welche das Bedingtsein constituirt.

 

Auch die Sinnesempfindungen selbst sind ihrer Natur nach einander fremd. Die weisse Farbe des Zuckers z. B. enthält in ihrem Wesen nichts von dem süssen Geschmack desselben, beide sind also einander fremd, und doch hängen sie nach einem gemeinsamen Gesetz zusammen, so dass, unter gleichen Umständen, wenn die eine gegeben ist, auch der andere wahrgenommen werden kann.

 

Denselben Charakter hat auch mein Verhältniss zu anderen Menschen. Auch diese muss ich in ihrer empirischen Beschaffenheit als mir von Hause aus fremd ansehen. Ich kann weder andere Menschen als einen Theil meiner selbst noch mich selbst als einen Theil Anderer denken, und doch hänge ich wesentlich von Anderen ab. Ohne meine Eltern wäre ich nicht entstanden; ohne die Pflege und die Unterweisung, die ich in der Jugend genossen, zu keiner leiblichen und geistigen Entwicklung gelangt und würde auch jetzt ohne die Gesellschaft und Cooperation anderer Menschen nicht bestehen können, da ich ausser Stande bin, alles zu meinem Leben Nöthige selbst zu produciren.

 

Durch diese Betrachtungen wird es, wie ich hoffe, fühl-

 

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*) In dem Kapitel, betitelt „Ob wir uns ursprünglich von anderen Dingen unterscheiden?“

 

 


 

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bar gemacht, dass in die Welt der Erfahrung etwas eingewoben ist, das dem Wesen der Dinge an sich fremd ist, nämlich die Relativität der empirischen Objecte, die (bedingte) Vereinigung des Verschiedenen, die wir in der Welt der Erfahrung allenthalben antreffen. Dies ist nun aber gerade der Glaube, der uns durch das Grundgesetz unseres Denkens eingegeben wird. Diesem Gesetze zufolge kann in dem eigenen Wesen der Dinge keine Vereinigung des Verschiedenen vorkommen, ist also die Relativität der Natur der Dinge an sich fremd. So legt die Erfahrung selbst ein Zeugniss für die objective Gültigkeit unseres Denkgesetzes ab. In dem Umstande, dass die Erfahrung nie dem Grundgesetze unseres Denkens widerspricht (d. h. nirgends und niemals eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen bietet), liegt das negative Zeugniss derselben zu Gunsten dieses Gesetzes. Der Umstand aber, dass die Beschaffenheit der empirischen Objecte gerade diesen Charakter des Bedingtseins, der Abhängigkeit des Fremden von dem Fremden hat, enthält das positive Zeugniss derselben zu Gunsten unseres Denkgesetzes.

 

Zum klaren Verständniss des obigen Verhältnisses und der hier darüber vorgebrachten Auseinandersetzungen, ist es aber durchaus unentbehrlich, den fundamentalen Unterschied zwischen einer unbedingten Vereinigung des Verschiedenen, welche eine unmittelbare, in der eigenen Natur desselben liegende ist, und der bedingten Vereinigung des Verschiedenen, welche eine blosse Verbindung desselben nach gemeinsamen Gesetzen ist, stets im Auge zu behalten. Die Verkennung dieses Unterschiedes hat einige achtbare Denker, welche in manchen Punkten auf dem richtigen Wege waren, stark irregeleitet.

 

In erster Linie ist hier Herbart zu erwähnen, der unzweifelhaft das Bewusstsein besass, dass der Satz der Identität eine an sich gewisse Einsicht in das eigne, unbedingte Wesen der Dinge ausdrückt, dass mithin alle Vereinigung des Verschiedenen der Natur der Dinge an sich fremd und

 

 


 

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die Annahme einer solchen darin logisch widersprechend ist. Aber Herbart zog daraus die unüberlegte Folgerung, dass alle Vereinigung des Verschiedenen logisch widersprechend sei und darum aus unserer Auffassung der Dinge weggeschafft werden müsse. Unüberlegt nenne ich diese Folgerung, weil dieselbe von der Annahme ausging, dass alles Wirkliche mit dem Grundgesetze unseres Denkens übereinstimmen müsse, d. h. dass es in der Wirklichkeit nur Dinge an sich, unbedingte und mit sich selbst identische Objecte, wie Herbart sie nannte, »einfache Reale« geben könne. Damit hat Herbart über die Erfahrung selbst etwas a priori ausmachen wollen, und ein solches Beginnen ist offenbar verkehrt. Wohl dürfen wir glauben, dass die Erfahrung dem Grundgesetze unseres Denkens nicht widersprechen werde, wenn auch dies ohne das Zeugniss der Erfahrung selbst nie vollkommen gewiss sein kann; aber a priori annehmen, dass die Erfahrung mit diesem Gesetze vollkommen übereinstimmen müsse, heisst ja die Erfahrung selbst a priori construiren wollen, und das geht nicht wohl an. So sehen wir denn auch, dass die Erfahrung mit dem Grundgesetze unseres Denkens durchgängig nicht übereinstimmt, ohne ihm zu widersprechen. Denn sie bietet überall Vereinigung des Verschiedenen dar, aber keine unbedingte, welche letztere allein logisch widersprechend wäre. Das Unternehmen Herbart’s, die Erfahrung dem Begriffe a priori gemäss zu berichtigen, beruhte daher auf einem Missverständnisse. Die Widersprüche, welche Herbart in den Begriffen der Erfahrung entdeckt hatte, wie der Widerspruch in dem Begriffe eines Dinges mit mehreren Eigenschaften, in dem Begriffe der Veränderung u. ähnl., sind denn auch in der That gar keine Widersprüche, soweit es sich um den Inhalt der Erfahrung selbst, um gegebene, bedingte Objecte und Verhältnisse handelt. Ein Körper mit mehreren Eigenschaften würde allerdings logisch widersprechend sein, aber nur darum, weil der Körper seinem Begriffe nach unbedingt ist und die Vereinigung des Verschiedenen in ihm mithin auch

 

 


 

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eine unbedingte sein müsste.*) Dagegen ist die factische Grundlage des Körpers, der Complex von Empfindungen, den wir als einen Körper erkennen, nicht logisch widersprechend, weil er nur eine bedingte Vereinigung des Verschiedenen ist, und dieser letztere ist allein ein wirklicher Gegenstand in der Erfahrung. Widersprechend würde auch eine Veränderung ohne Ursache sein, weil sie eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen wäre. Aber eine Veränderung ohne Ursache kommt eben in der Wirkliehkeit nicht vor. Dagegen enthält eine durch Ursachen herbeigeführte Veränderung keinen Widerspruch und verstösst nicht gegen das Grundgesetz unseres Denkens, eben weil sie bedingt ist, also nicht in dem Gebiete der Wirklichkeit liegt, auf welches sich die Aussage unseres Denkgesetzes bezieht.

 

Ein ähnliches Versehen, wie Herbart, aber von ganz anderen Voraussetzungen ausgehend, hat in neuerer Zeit Sigwart begangen. Auch Sigwart unterscheidet nicht zwischen einer unbedingten und einer bedingten Vereinigung des Verschiedenen und das hat ihn zu der Ansicht geführt, dass die Logik keine Regeln über die Unverträglichkeit von Vorstellungen angeben könne und nie über eine blosse Beschreibung der factisch gegebenen Unverträglichkeiten hinausgekommen sei (Logik, I, S. 142). »Es liesse sich eine Einrichtung unseres Gesichtssinnes denken«, sagt Sigwart, »bei der wir dieselbe Fläche in verschiedenen Farben leuchten sähen, wie sie ja Licht verschiedener Brechbarkeit aussendet, gerade wie wir in einem Klang versehiedene Obertöne, in

 

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*) Es ist auch logisch widersprechend, unsere Sinnesempfindungen (wie die des Gesichts, des Geschmacks u. ähnl.) für Eigenschaften äusserer Dinge zu halten. Aus diesem zweifachen Grunde ist denn auch die naturwissenschaftliche Theorie bestrebt, die letzten Bestandtheile der Materie als einfach in ihrer Qualität vorzustellen und alle Mannigfaltigkeit der physikalischen Erscheinungen aus deren Bewegungen zu erklären. Darüber wird ausführlicher ein Kapitel des 2. Bandes handeln.

 

 


 

204 Zweites Buch. Drittes Kapitel.

 

einem Accord die einzelnen Klänge unterscheiden, es ist rein factisch, dass die Farben als Prädicate derselben Lichtquelle unverträglich sind, die verschiedenen Töne als Prädicate derselben Tonquelle nicht« (Eb. S. 135).

 

Wenn die Logik keine Rechenschaft von diesem Unterschiede geben könnte, so müsste sie aus der Reihe der Wissenschaften gestrichen werden. Gibt es nichts schlechthin Undenkbares, dann gibt es auch keine Logik und überhaupt keine Wissenschaft, sondern nur eine tastende Orientirung des Geistes an den gegebenen Erscheinungen, ohne dass er einen rationellen Grund für seine Folgerungen und Erwartungen angeben könnte. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben ein Gesetz des Denkens, welches uns etwas (nämlich eine unbedingte Vereinigung des Verschiedenen) schlechthin undenbar macht. Dieses Gesetz ist daher das Princip aller Wissenschaftlichkeit oder aller Gewissheit in unserem Wissen. Dies in Hinsicht der inductiven Folgerungen nachzuweisen, wird sich später Gelegenheit bieten; hier dagegen will ich bloss zeigen, wie unser Denkgesetz die Unverträglichkeit der Farben fordert und die Veträglichkeit der Töne zulässt.

 

Die Farben werden nämlich als Eigenschaften der Körper, wahrgenommen, die Töne die dagegen bloss als Empfindungen in uns, welche durch Körper bewirkt sind. Dieser Unterschied ist allerdings in der factischen Einrichtung der besagten Empfindungen begründet. Aber diese Einrichtung einmal constatirt, sagt unser Denkgesetz a priori aus, dass zwei Farben, wie roth und grün, nicht an demselben Punkte eines Körpers vereinigt werden können, weil diese Vereinigung dann eine unbedingte sein müsste, weil dann das Rothe selbst grün und das Grüne roth sein würde, was widersprechend ist. Dagegen ist die Vereinigung verschiedener Töne in einem Accord keine unbedingte. Die verschiedenen Töne sind darin nicht unmittelbar eins. Als blosse Empfindungen können dieselben überhaupt in kein unbedingtes Verhältniss gerathen. Also ist die Vereinigung von Tönen  nicht widersprechend und

 

 


 

Beweis des obersten Denkgesetzes. I.

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verstösst nicht gegen das Grundgesetz unseres Denkens. Es gibt folglich einen logischen, rationellen Grund, warum einige Prädicate unverträglich sind, andere dagegen nicht, und dieser Grund liegt in dem fundamentalen Gesetze unseres Denkens.